Eichrechtskonformität

Seit dem 1. April 2019 müssen öffentliche Ladesäulen eichrechtskonform sein. Das bedeutet, dass sie spezielle Messsysteme besitzen müssen, die aufzeichnen, wieviel Strom wann und zu welcher Zeit ein E-Autofahrer an einer Ladesäule geladen hat. Die Preisangabenverordnung schreibt außerdem vor, dass kilowattstundengenau abgerechnet werden soll.

Das deutsche Mess- und Eichgesetz ist ein immer wiederkehrendes Thema in unserem täglichen Leben: Es sorgt dafür, dass eine Packung Fruchtsaft genau einen Liter enthält und wir vom Verkäufer genau die Menge an Käse erhalten, die wir bezahlt haben. Auch im Bereich der Elektromobilität ist das Eichgesetz derzeit in aller Munde, denn seit dem 1. April 2019 müssen auch Ladestationen nach den strengen Vorgaben des Eichgesetzes laden.

Im Fall der Elektroautos war es, anders als bei Fruchtsaft oder Käse, nicht so einfach zu verstehen, wie sich die Stromrechnung zusammensetzt: Einige Betreiber rechneten auf Basis eines Stundentarifs minutengenau ab, andere berechneten eine Pauschale pro Ladung oder eine monatliche Gebühr, wieder andere rechneten auf Basis der Energieeinheit Kilowattstunde (kWh) ab, und einige erhoben auch eine Grundgebühr. Man könnte meinen, das sei ein echtes Durcheinander. Und das zu Recht. Aber dies hat nun – zumindest teilweise – ein Ende.

Anforderungen an Ladesäulen

paragraphSeit dem 1. April 2019 muss die Richtlinie über die Infrastruktur für alternative Kraftstoffe (AFID) 2014/94/EU des Europäischen Parlaments auch in Deutschland umgesetzt werden. Seitdem müssen alle neuen Ladestationen genaue Vorgaben erfüllen und nach diesen gebaut werden, für bestehende Stationen muss ein Umrüstungsplan vorgelegt werden. In der EU-AFID-Richtlinie heißt es in Artikel 4, Elektrizitätsversorgung für den Verkehr, in Absatz 10: Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die von den Betreibern öffentlich zugänglicher Ladepunkte berechneten Preise angemessen, leicht und eindeutig vergleichbar, transparent und nicht diskriminierend sind.

Im deutschen Recht sind dafür das Mess- und Eichgesetz (MessEG)[[Mess- und Eichgesetz]] und die Preisangabenverordnung (PAngV)[[Preisangabenverordnung]] maßgeblich. Damit eine Ladestation alle relevanten Daten verarbeiten kann, muss sie die Anforderungen des Eichgesetzes erfüllen. Dazu gehört neben der korrekten Erfassung des Ladestroms und der Ladezeit auch die sichere und datenschutzkonforme Verarbeitung der Nutzerdaten. Da diese Maßnahme aufgrund der hohen Anforderungen an Hard- und Software technisch nur schwer umsetzbar ist, hat der Gesetzgeber eine Übergangsfrist eingeräumt, die mit dem o.g. 1. April ausgelaufen ist. In § 3 der Preisangabenverordnung ist festgelegt, dass die korrekte, verständliche und transparente Angabe der Preise und die Abrechnung des Laststroms auf Basis von Kilowattstunden erfolgen muss. In einem Rechtsgutachten hat das Wirtschaftsministerium klar definiert, wie Ladestationen abgerechnet werden sollen. Rein zeitabhängige Tarife und pauschale Sitzungsgelder pro Abrechnungsvorgang sind nicht mehr zulässig. Es sind nur noch folgende Abrechnungsarten erlaubt:

  • Eine rein verbrauchsabhängige Abrechnung, die ausschließlich auf Basis der abgerechneten Kilowattstunden erfolgt.
  • Eine Kombination aus dem kWh-Tarif und einem Start-, Grund- oder Infrastrukturnutzungsentgelt.
  • Eine Kombination aus dem kWh-Tarif und einem Stundentarif, wie z. B. ein Parkticket in einem Parkhaus oder einer Tiefgarage. Dieser Tarif ist auch sinnvoll, um eine unnötige Blockierung von stark frequentierten Ladepunkten zu vermeiden.
  • Flatrate-Abrechnung in Form einer monatlichen Gebühr, vergleichbar mit einer Smartphone-Flatrate.
  • Kostenlose Stromversorgung, wie z. B. in Supermarkt- und Einkaufszentrumsparkhäusern.

Verschiedene Anwendungsfälle machen die Abrechnung nach dem Eichgesetz im Alltag jedoch etwas komplexer, als man zunächst denken mag. Beim Laden an öffentlichen Ladesäulen ist die Situation noch eindeutig: Da hier der Strom grundsätzlich bezahlt werden muss, muss auch die Säule dem Eichgesetz entsprechen. Eine Ausnahme ist nur möglich, wenn der Strom pauschal abgerechnet oder verschenkt wird.

Laden von Mitarbeiter-Fahrzeugen am Arbeitsplatz

Lädt ein Arbeitnehmer seinen Dienstwagen unentgeltlich am Arbeitsplatz, muss diese Säule nicht eichrechtskonform sein. Da die Steuerbefreiung bis 2030 verlängert wurde, ist es auch weiterhin nicht erforderlich, dass die Ladesäule nach dem Eichrecht abrechenbar ist; eine MID-zertifizierte Messeinrichtung (MID = Measuring Instruments Directive) wäre ausreichend. Anders liegt der Fall, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber das Laden seines privaten Elektrofahrzeugs bezahlen muss. In diesem Fall muss diese Ladestation den Anforderungen des Eichgesetzes genügen.

Laden von Besucher-Fahrzeugen auf dem Firmengelände

Lädt ein Kunde oder externer Besucher kostenpflichtig auf einem Firmengelände, muss diese Ladestation nach dem Eichgesetz errichtet werden. „Darüber hinaus müssen die Anforderungen der Ladesäulenverordnung erfüllt sein, wenn die Stellplätze öffentlich zugänglich sind und von jedermann genutzt werden können. Außerdem müssen die Vorgaben der Preisangabenverordnung erfüllt sein, wenn es sich bei den Kunden oder Besuchern um Verbraucher handelt“, erklärt Rechtsanwältin Dr. Katharina Vera Boesche, Leiterin des Rechtsreferats des vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi) geförderten Forschungs- und Technologieprogramms „IKT für Elektromobilität“.

Laden des Mitarbeiter-Fahrzeuges zu Hause

Wird ein Dienstwagen vom Mitarbeiter zu Hause aufgeladen und ist der gesamte Ladestrom dem Dienstwagen zuzurechnen, reicht für die Abrechnung mit dem Arbeitgeber ein MID-zertifizierter Zähler zwischen der Ladesäule und dem Anschluss an das Hausnetz oder direkt an der Ladesäule selbst. Werden jedoch mehrere Elektroautos, zum Beispiel von Verwandten oder Bekannten, ebenfalls an dieser Ladesäule geladen, kommt es darauf an, welche Nachweise der Arbeitgeber verlangt. Er kann auf einer eichrechtskonformen Ladesäule bestehen, sofern die Ladevorgänge den verschiedenen Fahrzeugen eindeutig zugeordnet sind.

Eine Möglichkeit, die Installation einer eichrechtskonformen Ladesäule am Wohnort des Arbeitnehmers zu umgehen, ist die Abrechnung der Ladekosten mit einer Pauschale, vergleichbar mit den vom Arbeitgeber ausgegebenen Tankgutscheinen. Diese Pauschalen für Elektrofahrzeuge hat die Finanzverwaltung mit Erlass vom 26.10.2017 ausdrücklich zugelassen. „Für die elektrische Aufladung eines Dienstwagens (nur Pkw) nach § 3 Abs. 50 EStG und zur Abgeltung der dem Unternehmen individuell entstehenden Kosten galten bis 2020 (in Klammern) und seit 2021 bis 2030 folgende monatliche Pauschalen.

Mit zusätzlicher Abrechnungsmöglichkeit beim Arbeitgeber Ohne Abrechnungsmöglichkeit beim Arbeitgeber
Reines Batterie-Elektroauto 30 € (20 €) 70 € (50 €)
Plug-in-Hybrid-Auto 15 € (10 €) 35 € (25 €)

Aufladen von Poolfahrzeugen auf dem Firmengelände

Soll das Laden von Firmenwagen, die nicht an einen Nutzer gebunden sind (Poolfahrzeuge), auf dem Firmengelände erfolgen, stellt sich auch die Frage, welche eichrechtlichen Anforderungen die Ladeeinrichtung erfüllen muss. Hierbei handelt es sich jedoch um ein reines Innenrechtsverhältnis, bei dem sich lediglich die Frage stellt, welche Nachweise das Finanzamt bei einer unternehmensinternen Kostenverrechnung verlangt. Das muss im Einzelfall geprüft werden. Im Zweifelsfall ist eine eichrechtskonforme Lösung anzuraten.

Mehrere Unternehmen in einem Industriegebiet

Wird eine Ladeanlage von mehreren Unternehmen gemeinsam genutzt und ist sie auf einem Gelände, etwa in einem Gewerbegebiet, installiert, können vereinfachte Anforderungen gelten. Dies ist jedoch nur der Fall, wenn die Voraussetzungen des § 35 des Messgesetzes erfüllt sind, wie z. B. gleichbleibende Geschäftspartner, ein geschlossenes Grundstück, das zum Gebiet gehört, und eine Vereinbarung zwischen den Parteien über den Umgang mit Fehlmessungen. Eine der Parteien sollte die Rolle des Betreibers der Abrechnungsanlage übernehmen, für die Abrechnung reicht ein MID-zertifizierter Zähler aus. Der Experte empfiehlt, in jedem Einzelfall das Vorliegen der Voraussetzungen zu prüfen. Im Zweifelsfall ist auch hier eine eichrechtskonforme Lösung anzuraten.

Gemeinschaftliche Stellplätze in einer WEG

Ladestrom an Gemeinschaftsparkplätzen in einer WEG (Wohnungseigentümergemeinschaft) muss eichrechtskonform abgerechnet werden, da die Ladepunkte von verschiedenen Nutzern benutzt werden. Außerdem gelten, wenn es sich um Verbraucher handelt, wovon in der Regel auszugehen ist, auch die Anforderungen der Preisangabenverordnung.

Individuelle Ladesäule mit Anschluss an den Wohnungszähler

Wer einen eigenen Stellplatz und eine Wallbox hat, die an den Wohnungszähler angeschlossen ist, muss seine Ladesäule nicht eichrechtskonform umbauen. Hier erfolgt das Laden über den Haushaltszähler, der ja auch ein geeichter Zähler ist.

Individuelle Ladesäule mit Anschluss an das allgemeine Stromnetz

Ist die Wallbox auf dem Stellplatz dagegen an das allgemeine Stromnetz oder an einen für alle Ladestationen gemeinsam genutzten EVU-Zähler (EVU = Energieversorgungsunternehmen) angeschlossen, genügt der Einbau eines MID-geeichten Zählers (Messgeräteverordnung). Im Rahmen der Jahresabrechnung wäre damit eine Zuordnung des Verbrauchs zu den einzelnen Nutzern möglich, wie es bei der Abrechnung der Nebenkosten der Fall ist. Es muss aber auch möglich sein, jede Abrechnungsstelle eindeutig einem einzelnen Nutzer zuzuordnen. Dies kann z. B. durch eine Authentifizierung des Nutzers direkt an der Wallbox über einen Schlüssel oder RFID-Chip gewährleistet werden. Wird eine Wallbox jedoch von mehreren Parteien genutzt, sind nachvollziehbare Messergebnisse notwendig, die nur mit eichrechtskonformen Ladesystemen erreicht werden können. Es gelten dann die gleichen Regeln wie bei gemeinsam genutzten Stellplätzen.

Sind der Hauseigentümer und der Wohnungseigentümer auch Betreiber der Abrechnungseinrichtung und sind die Mieter – was in der Regel der Fall ist – Verbraucher, gelten die vereinfachten Anforderungen des Mess- und Eichgesetzes. Sind beide Vertragsparteien vor Ort anwesend und erkennen beide das Ergebnis der Messung am Ende der Abrechnung an, können die Voraussetzungen für einen Direktverkauf erfüllt sein. Bei der Direktvermarktung ist kein konformitätsbewertetes Messsystem erforderlich, ein MID-zertifizierter Zähler würde ausreichen. Es wird dann eine angemessene Vergütung pro verbrauchter Kilowattstunde Strom gezahlt.

Laden der Fahrzeuge von Hotelgästen

Wenn in einem Hotel eine öffentlich zugängliche Ladeinfrastruktur aufgebaut ist, gelten alle Anforderungen der Ladesäulenverordnung und des Eichgesetzes, wenn dort geladen werden soll. Auch in einem exklusiven, für Hotelgäste gesperrten Parkbereich sind Ladesäulen, die dem Eichgesetz entsprechen, zwingend erforderlich, wenn der Ladestrom berechnet werden soll. Eine vermeintlich einfache Lösung wie eine Tagespauschale für die Nutzung einer Ladesäule ist nicht zulässig, da sie nicht mit der Preisangabenverordnung vereinbar ist. Diese lässt nur Pauschalen auf Monats- oder Jahresbasis zu.

Zulässig wäre es hingegen, für den Stellplatz Gebühren zu erheben und den Strom für Elektroautos kostenlos zur Verfügung zu stellen. Allerdings dürfen die Gebühren für die Nutzung von Parkplätzen für Elektroautos nicht höher sein als die für konventionell betriebene Fahrzeuge.

Ferienhäuser und -wohnungen

Auch exklusive Stellplätze in Ferienhäusern oder -wohnungen sollten mit einem eichrechtskonformen Ladesystem ausgestattet sein, wenn Strom geladen werden soll. Die Voraussetzungen für den Direktvertrieb könnten aber erfüllt sein, wenn der Betreiber der Ladesäule und der Verbraucher, in diesem Fall der Ferienhausmieter, das Messergebnis eines MID-zertifizierten Stromzählers am Ende des Aufenthalts vor Ort anerkennen. Diese Lösung wäre dann ausreichend. Pro verbrauchter Kilowattstunde Strom würde dann ein angemessenes Entgelt gezahlt werden.

Die vielleicht einfachste Lösung wäre, dass Hotels und Urlaubsdienstleister den Strom im Rahmen der Miete kostenlos zur Verfügung stellen, ebenso wie den Strom für Föhn, Wasserkocher oder Lampen. Damit entfiele der zusätzliche Aufwand und die Kosten für die Einrichtung und den Betrieb einer eichrechtskonformen Lademöglichkeit. Außerdem wird der Betrieb dadurch für die immer größer werdende Zahl von Elektroautofahrern attraktiver. Letztlich dürfte diese Lösung in der Regel sogar günstiger sein, vor allem für kleinere Betriebe. Immerhin kostet der Strom für 100 Kilometer mit einem Elektroauto im Schnitt nur fünf bis sechs Euro.

Wie man sieht, ist die aktuelle Rechtslage nicht wirklich einfach. Um auf der sicheren Seite und für eventuelle zukünftige Rechtsänderungen gewappnet zu sein, sollte man im Zweifelsfall im öffentlichen Bereich auf eichrechtskonforme Ladelösungen setzen.