Zu wenig Strom für Alle

Zu wenig Strom für AlleWird es genug Strom geben, wenn in Zukunft immer mehr Menschen elektrisch fahren? Was passiert, wenn in einer Straße alle auf Elektrofahrzeuge umsteigen?  Ist das Stromnetz darauf vorbereitet? Diesen Fragen ist die Netze BW, ein Tochterunternehmen der EnBW, in einem deutschlandweit einzigartigen Pilotprojekt, der „E-Mobility-Allee“[[E-Mobiliy-Allee]] in Ostfildern bei Stuttgart, nachgegangen. Im Oktober 2019 wurde das Projekt nach rund eineinhalb Jahren mit einer Veranstaltung unter Beteiligung von Anwohnern und Vertretern aus Landesregierung, Kommunalpolitik und Forschung abgeschlossen.

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Elektrisch auf der Straße und im Praxistest

Mit dem Projekt in Ostfildern führte Netze BW einen Praxistest auf der Straße durch. Dazu wurden den Teilnehmern für rund eineinhalb Jahre insgesamt elf Fahrzeuge zur Verfügung gestellt. Jeder Haushalt wurde entweder mit einem VW e-Golf, einem BMW i3 oder einem Renault ZOE ausgestattet. Zusätzlich durften alle Teilnehmer für jeweils drei Wochen ein Tesla Model S in einem rollierenden System fahren. Diese Vorgehensweise wurde bewusst gewählt, um einen Mix aus verschiedenen Fahrzeugen zu repräsentieren und damit typische Konstellationen für die Zukunft vorwegzunehmen. Die Teilnehmer erhielten ihre neuen Autos bewusst einige Wochen vor der Testphase, um sich mit ihnen vertraut zu machen – für einige war dies der erste Kontakt mit einem Elektroauto. Um die Fahrzeuge zu Hause laden zu können, erhielten die Teilnehmer eine private Ladestation von Netze BW mit einer maximalen Ladeleistung von 22 kW, ergänzt durch zusätzliche Mess- und Regeltechnik. Diese Kombination ermöglichte den Fernzugriff auf jede Ladestation, was wichtige Informationen über zukünftige Ladeprofile lieferte.

Die wichtigsten Ergebnisse

Das Projekt hatte zwei Schwerpunkte: Welche Auswirkungen hat das Ladeverhalten der Elektroauto-Nutzer auf das lokale Stromnetz? Und wie kann ein Netzbetreiber reagieren, wenn das Netz an seine Belastungsgrenzen stößt? Zu beiden Aspekten lieferte die „E-Mobility-Allee“ aufschlussreiche Ergebnisse. Das Ladeverhalten der Teilnehmer änderte sich mit der Zeit deutlich: Sie gewannen Vertrauen in die Reichweite der Elektroautos und luden nach der Anfangsphase deutlich seltener.  Infolgedessen und aufgrund der unterschiedlichen Nutzungsarten und Fahrzeuge waren nie mehr als fünf Fahrzeuge gleichzeitig am Netz – und dann auch nur in extrem seltenen Fällen (0,1% der Zeit).  Auf der anderen Seite wurde in 70 % der Fälle überhaupt nicht geladen. „Die oft geäußerte Befürchtung, dass alle E-Autos nach Feierabend gleichzeitig laden und damit das Netz überlasten würden, scheint nach diesen Erfahrungen nicht realistisch“, so das Fazit der Projektleiterin.

Lademanagement und Batteriespeicher

Im Hinblick auf die Eingriffsmöglichkeiten des Netzbetreibers zeigte sich, dass vor allem das „intelligente Lademanagement“ großes Potenzial hat: „Durch die elektronische Vergabe von Ladezeiten konnten Engpässe vermieden werden, ohne dass sich die Teilnehmer benachteiligt fühlten“, so der Projektleiter. Als weitere sinnvolle Option erwiesen sich verschiedene Arten von Batteriespeichern, die temporär eingesetzt wurden und das Netz entlasteten.

Ergebnisse des Feldtests „E-Mobility-Carré“[[E-Mobility-Carré]]


Für ihr Netzwerklabor in Tamm hat die Netze BW die Tiefgarage der Wohnanlage Pura Vida mit 58 Ladepunkten ausgestattet und den Teilnehmern 45 E-Autos für den täglichen Gebrauch zur Verfügung gestellt. Ob Familien mit Kindern, Paare oder Rentner, ob Gelegenheits- oder Vielfahrer, sie alle haben ihr Benzin- oder Dieselauto vorübergehend auf Eis gelegt und sind von heute auf morgen elektrisch unterwegs. Mit wachsender Begeisterung.
Im Durchschnitt hat jeder dieser Elektro-Pioniere 1.100 Kilometer pro Monat zurückgelegt. Eine beachtliche Zahl trotz der Beschränkungen durch Homeoffice und den Corona-Einschränkungen. Inzwischen sind die Projektfahrzeuge wieder eingesammelt worden, aber viele der Tammer E-Pioniere denken bereits über die Anschaffung eines Elektroautos nach.

Lademanagement hilft, Verbrauchsspitzen auszugleichen

Im Mittelpunkt des Projekts stand die Frage, wie der Hausanschluss von Mehrfamilienhäusern für den Mehrverbrauch von Ladestationen optimiert werden kann. Ein idealer Anschluss liefert ausreichend Strom, ohne überdimensioniert zu sein. Dies wäre jedoch der Fall, wenn man davon ausgeht, dass alle Elektroautos gleichzeitig geladen werden.
Im E-Mobility-Carré hat sich gezeigt, dass nie mehr als 13 Ladevorgänge parallel stattfinden – bei insgesamt 58 verfügbaren Ladepunkten. Die „Gleichzeitigkeit„, die sich negativ auf das Netz auswirkt, betrug daher nur 22%. Das ist immer noch deutlich weniger als die 50%, die beim oben erwähnten Feldtest in Ostfildern gemessen wurden. Fast die Hälfte der Zeit wurden keine Autos aufgeladen.
Hier zeigt sich das Potenzial flexiblerer Ladevorgänge. Wichtigstes Instrument war dabei ein für das Projekt installiertes intelligentes Lastmanagementsystem. Dieses ermöglichte es, die Anschlussleistung der Ladepunkte zu senken und damit Lastspitzen zu reduzieren. Die vorhandenen Netzanschlüsse der Wohngebäude können so optimal genutzt werden. Darüber hinaus gibt das intelligente Lastmanagement den Netzbetreibern die Zeit, das Netz in Zukunft sinnvoll, effizient und nachhaltig zu verstärken. Dies kann bedeuten, eine etwas längere Ladezeit in Kauf zu nehmen. Mehr als 90 % der Projektteilnehmer fühlten sich dadurch aber keineswegs eingeschränkt – eine weitere wichtige Erkenntnis des E-Mobility Carré.

Reicht der erneuerbare Strom für die E-Mobilität?

Die gute Nachricht vorweg: Selbst wenn sich die Elektromobilität schneller als erwartet durchsetzt, steht genügend erneuerbare Energie zur Verfügung, um Fahrzeuge damit zu betreiben. Würden die rund 45 Millionen Pkw, die derzeit auf Deutschlands Straßen unterwegs sind, größtenteils mit Strom fahren, wären dafür gut 100 Terawattstunden (TWh) pro Jahr nötig. Das ist gerade einmal ein Sechstel dessen, was Deutschland insgesamt an Strom pro Jahr verbraucht. Im Jahr 2019 erzeugten die erneuerbaren Energien 244 TWh Strom, mehr als das Doppelte des Bedarfs einer vollelektrischen Fahrzeugflotte. Und der Ausbau der erneuerbaren Energien schreitet zügig voran[[BMU]].